Deutschland – ein Metalmärchen

Den ersten Tag eröffnen Hellfueld mit Sänger Andy Alkman, dem einzig wahren Sohn Ozzy Osbournes. Besonders beim Track „Midnight Lady“ erwartet man, die jugendliche Reinkarnation des Mad Mans auf der Bühne zu sehen. Technisch anspruchsvoller gestalten die Norweger Communic ihren Set, wobei deren Drummer den Preis als Rotbäckchen des Tages gewinnt. Apropos Schlagzeuger, hat Dieter Bohlen einen Nebenjob bei der US-Metal-Legende Leatherwolf angetreten? Ohne ein einziges Gründungsmitglied wissen sie durch feine Leadgitarren und die raue Stimme von Wade Black zu überzeugen.

Der erste Höhepunkt des Tages wird mit Flotsam & Jetsam erreicht. Werden sie doch zumeist als die ehemalige Band des ehemaligen Bassisten von Metallica bezeichnet, beweisen sie mit ihrem Auftritt, dass man sie nicht zu unrecht als die Könige des Speed-Metal bezeichnet. In der Kategorie „reif und bekloppt“ beehren uns die wiedervereinigten Vengeance. Nach langer Pause gelingt den Hardrockern ein überzeugender Auftritt (allerdings gewinnen leider sie auch den Preis für das hässlichste Hemd des Festivals).
Ein geglückter Griff in die frühen 80er ist den Veranstaltern mit Raven gelungen: Hohe Spielfreude und spitze Schreie zeichnen die Band um die Gallagher-Brüder seit ewigen Zeiten aus. Leider erreicht das verwendete Headset des Sängers nur das Niveau eines Callcenters bei T-Service, so dass es hier Abzüge in der B-Note gibt. Der Ottfried Fischer des Heavy Metal, Jon Oliva, beweist, dass schöne Stimmen nicht unbedingt in schönen Körpern stecken müssen. Gesanglich immer noch der Mountain King, überzeugen aber auch seine Begleiter. Leider sind es wieder nicht Savatage. Eine Enttäuschung sind die Bay-Area-Thrasher von Death Angel. Technisch ohne Zweifel in einer hohen Liga, krächzt ihr Sänger nervig und emotionslos den Song.

Dann: Links ein Kürbis, rechts der Keeper – Helloween sind nicht mehr weit. Die Hamburger bieten einen professionellen Set und ziehen zum ersten Mal an diesem Tag die Massen vor die Bühne. Die rote Karte erhält an diesem Abend der Saxophonist von Foreigner für sein unsägliches Tröten-Solo beim Überhit Urgent. Wer’s braucht, ich nicht. Ein wahres Feuerwerk fahren In Flames auf. Ihren ganzen Weltschmerz schnüren sie in ein knallhartes Korsett und bieten mit Feuersäulen, Konfettiregen und Nebel eine prächtige Show.
Den zweiten Festivaltag eröffnen Powerwolf, geschminkt, theatralisch, kostümiert, peinlich. Schnell weg. Da bieten Anvil doch ehrlicheren, kanadisch-unverwüstlichen Powermetal. Etwas ruhiger, aber nicht weniger enthusiastisch, gehen Victory zu Werke und zeigen eine ordentliche Performance in Sachen schmutziger Hardrock. Count Raven bieten guten alten Doom-Metal in der Tradition von Black Sabbath. Tonnenschweres Riffing, wummernder Bass, wuchtige Drums. Der Sänger ist allerdings von Ozzy unbelastet.
Ein Trinkhorn, Thors Hammer, Propeller-Banging: Unleashed schieben eine Death Metal Walze á la bonne heure auf die Bühne. Die härteste Band des Festivals wird zum ersten Abräumer des Tages. Muss man Armoured Saint noch vorstellen? Leider ja, weil die Amerikaner nie die Anerkennung erhalten haben, die sie verdient hätten. Die Band um den überirdisch singenden John Bush zeigt sich mal wieder von ihrer besten Seite. Eine Seite, die man bei Y&T leider vergeblich sucht.

Einen wahren Triumphzug erlebt Rik Emmet. Rente mit 67 wird für ihn kein Thema sein, beweist er doch, dass Alter nicht vor schnellen Fingern schützt. Den Abschluss des zweiten Tages bilden Stratovarius, die nach internen Schlägereien und Messerstechereien in der Vergangenheit hier beweisen, dass sie immer noch zum Besten im Melodic Metal gehören.
Aber fehlt da nicht noch jemand? Richtig, versteckt in den Specials gibt es einen kleinen Einspieler, der zeigt, dass eigentlich Whitesnake Headliner des zweiten Tages waren. Aber wer die einschlägigen Foren in der Zeit nach dem Festival verfolgt hat, weiß, dass die Band um David Coverdale einen grottigen Auftritt hingelegt hat und daher wohlweislich ein Mäntelchen des Schweigens über diesen gelegt wurde. Und wo sind eigentlich die Dänen Pretty Maids?
Und die Specials? Diese umfassen die Clubauftritte von Abondend, Raven, Beyond Fear und Tony Martin, die allerdings am Sound und den Lichtverhältnissen kranken. Die Bildergalerien bieten die üblichen Fotos und die gefilmten Impressionen langweilen durch das aufgesetzt wirkende Splitscreen-Verfahren. Weniger wäre hier mehr gewesen.
Fazit
Wer braucht nun so eine Zusammenstellung? Zum einen der Festival-Besucher als Erinnerungsstück, der Nicht-Besucher, damit er sich ärgern kann, über das, was er verpasst hat, und derjenige, der sich einen Appetitanreger für das Festival in diesem Jahr holen will. Nicht zuletzt ist auch das Booklet schick und umfangreich gestaltet. Also, ein weiteres Pils gelüpft, den Player auf Repeat gestellt, die Pommesgabel zur Zimmerdecke gestreckt. Bang Your Head!!!
P.S.: Vielen Dank an Dirk Walter für die Hilfe beim Verfassen des Textes.
P.P.S.: Bitte beachten Sie die Vorfahrtsregeln beim Diven von der Schrankwand.